22.10.2015

Verfassungsbeschwerde gegen „Zweiten Weg“ im kirchlichen Arbeitsrecht ebenfalls unzulässig

Mit soeben veröffentlichtem Beschluss vom 28. September 2015 hat der Zweite Senat des Bundesverfassungsgerichts die Verfassungsbeschwerde gegen arbeitsgerichtliche Entscheidungen zum sogenannten „zweiten Weg“ im kirchlichen Arbeitsrecht wegen Unzulässigkeit verworfen.

Die Verfassungsbeschwerde war von der Gewerkschaft Marburger Bund eingelegt worden, die vor dem Bundesarbeitsgericht zwar obsiegt hatte, sich aber durch die Urteilsgründe beschwert sah. Worum ging es bei dem Streit? Im Jahr 2007 hatte der Marburger Bund den VKDA (Arbeitgeberverband der Nordelbischen-Lutherischen Kirche) aufgefordert, einen Tarifvertrag für die im Krankenhaus Bergedorf-Bethesda tätigen Ärzte und Ärztinnen abzuschließen. Der VKDA, der zwar grundsätzlich Tarifverträge abschließt und damit den „Zweiten Weg“ beschreitet, machte die Aufnahme der Tarifverhandlungen vom Abschluss eines Grundlagen-Tarifvertrages abhängig. Dieser hat zum Inhalt, dass Arbeitskampfmaßnahmen zur Durchsetzung eines Tarifvertragsabschlusses unzulässig sind und im Konfliktfall eine Schlichtungsstelle entscheidet. Der Marburger Bund lehnte den Abschluss ab. Tarifverhandlungen wurden nicht aufgenommen. Stattdessen rief der Landesverband des Marburger Bundes am 31. August 2009 zum Streik auf. Der Streik wurde auch durchgeführt. Zwar versuchte die Kirche zuvor, den Streik im Rahmen eines einstweiligen Verfügungsverfahrens zu untersagen, das Arbeitsgericht aber erlaubte den Streik.

Mit der dann folgenden Klage verlangte der VKDA, dass der Marburger Bund zukünftig Streikmaßnahmen zu unterlassen habe. Das Arbeitsgericht Hamburg und das Landesarbeitsgericht Hamburg haben die Klage zurückgewiesen und auch die Revision blieb ohne Erfolg.

Das BAG kam zu dem Ergebnis, dass die Entscheidung der Nordelbischen Kirche, die Arbeitsbedingungen der in ihren Einrichtungen beschäftigten Arbeitnehmer durch Tarifverträge auszugestalten, den Gewerkschaften in ihrer koalitionsspezifischen Betätigung sogar mehr entgegenkomme, als dies in Verfahren des „Dritten Weges“ der Fall sei. Es komme der Schlichtungsvereinbarung die entscheidende Bedeutung zu. Die in der Schlichtungsvereinbarung vorgesehene Konfliktlösung durch die Tarifvertragsparteien und einen neutralen Schlichter erweise sich als ein verfassungsrechtlich gebotenes Verfahren, um zwischen den Tarifvertragsparteien ein Verhandlungsgleichgewicht herzustellen. Zu berücksichtigen sei aber, dass im Schlichtungsmodell das Konzept der Tarifautonomie nur insoweit verändert werden dürfe, wie es für die Wahrung des Leitbildes der kirchlichen Einrichtung erforderlich sei und ein Verhandlungsgleichgewicht ermögliche. Eine Schlichtungsvereinbarung müsse daher, um die strukturelle Verhandlungsschwäche der Arbeitnehmer auszugleichen, Instrumente aufweisen, die geeignet sind, Verhandlungsblockaden zu lösen und die Kompromissbereitschaft der Gegenseite zu fördern. Die Schlichtungsvereinbarung der Nordelbischen Kirche erfülle aus Sicht des BAG diese Erfordernisse, indem sie paritätisch mit den Tarifvertragsparteien und einem neutralen Schlichter besetzt sei.

Gleichwohl hatte der Marburger Bund vor dem Bundesarbeitsgericht in vollem Umfang obsiegt. Die Klage gegen die Rechtmäßigkeit des Streiks wurde abgewiesen, weil keine Erstbegehungsgefahr bestanden habe. Das Bundesarbeitsgericht hatte unterstellt, es bestehe keine ernsthafte Gefahr, dass der Marburger Bund in Zukunft zu rechtswidrigen Arbeitskämpfen in Mitgliedseinrichtungen des Klägers aufrufen werde. In der Verfassungsbeschwerde machte der Marburger Bund eine Verletzung des Artikels 9 Abs. 3 Grundgesetz geltend. Die Divergenz, dass er nach dem Tenor des Urteils im Endergebnis zwar nicht beschwert sein soll, dies aber wohl aus den Gründen des Urteils in erheblicher Weise sei, weil es faktisch sein Streikrecht negiere.

Das Bundesverfassungsgericht begründet seine Entscheidung mit den gleichen Argumenten, die es bereits im Beschluss vom 15. Juli 2015 gegen die Verfassungsbeschwerde der Gewerkschaft ver.di gegen die im Parallelverfahren zum Dritten Weg getroffene Entscheidung des Bundesarbeitsgerichts verwandt hat. Hier wie dort fehlt der jeweiligen Gewerkschaft die erforderliche Beschwerdebefugnis. Sie ist weder durch den Urteilstenor beschwert noch folgt ausnahmsweise aus den Urteilsgründen, dass sie gegenwärtig und unmittelbar in ihren Grundrechten betroffen ist. (BVerfG 2 BvR 2274/13)