28.7.2022

Grundsätzliche Verweigerung der Erstattung von Arbeitgeberzahlungen gem. § 56 Abs. 5 IfSG bei symptomlos Corona-Infizierten ist rechtswidrig

Mindestens seit Juni 2022 unternimmt es die Landesregierung, das Land Niedersachsen seiner Verpflichtung gem. § 56 Abs. 5 Satz 2 IfSG zur Erstattung der von Arbeitgebern § 56 Abs. 5 Satz 1 IfSG ausgezahlten Entschädigung nach § 56 Abs. 1 Satz 1 IfSG zu entziehen. Die für die Bearbeitung von Erstattungsanträgen zuständigen Kommunen werden veranlasst, die Anträge abzulehnen.

Das für das Land handelnde Sozialministerium stützt die verkündete Rechtsauffassung, nach der nachweislich mit Covid 19 infizierten Arbeitnehmern stets Entgeltfortzahlung gem. § 3 EngFG zustünde und daher eine Erstattungspflicht auch bei symptomlosen, mit Covid 19 infizierten Arbeitnehmern bereits mangels Entschädigungsanspruch des Arbeitnehmers nicht bestünde, auf rechtswissenschaftlich unhaltbare Interpretationen und Schlussfolgerungen.

Die für die Bearbeitung der Erstattungsanträge zuständigen Kommunen lehnen die Erstattung gestützt auf die Positionen des Sozialministeriums ab.

Dem Arbeitgebern bleibt dann nur die Wahl zwischen Skylla und Charybdis:

  1. Entweder er beschreitet den Rechtsweg gegen die rechtswidrige Verwaltungsentscheidung. Da zu erwarten ist, dass die Behörden angesichts der politisch gewollten Haltung die Auseinandersetzung durch alle Instanzen führen werden, werden die Arbeitgeber sehr lang auf die Auszahlung ihres Entschädigungsanspruchs warten müssen. Sie müssen die Rechtsverfolgungskosten vorverauslagen und tragen zudem das Prozessrisiko.

  2. Oder er verrechnet den bereits ausgezahlten Entschädigungsbetrag mit laufenden Gehaltsansprüchen der betroffenen Arbeitnehmer unter Berufung auf die vom Sozialministerium verkündetet Rechtsauffassung der Negation des Entschädigungsanspruchs und danach rechtsgrundlos Geleistete gemäß §§ 387 ff BGB i.V.m. § 812 BGB. Dann kann der betroffenen Arbeitnehmer dagegen nur vor dem Arbeitsgericht einen Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem.§ 3 EntgFG geltend machen. Hierzu muss er nachträglich beweisen, dass ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung bestanden hat, weil er wegen unverschuldeter Krankheit arbeitsunfähig war. Hat er aus welchem Grund auch immer auf die Ausstellung einer ärztlichen Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung verzichtet, wird ihm das schwer fallen. Zwar setzt ein Anspruch auf Entgeltfortzahlung gem. § 3 EntgFG keine Arbeitsunfähigkeitsbescheinigung voraus. Die Arbeitsunfähigkeit i.S.d. § 3 EntgFG kann auch in anderer Weise bewiesen werden. Definitiv falsch ist die Rechtsauffassung des Sozialministeriums ist jedoch, dass das bereits mit dem Nachweis der Covid-19-Infektion mittels PCR-Test erfolgt sei. Denn nicht die Krankheit, sondern allein die durch sie verursachte Arbeitsunfähigkeit ist Rechtsgrund des Entgeltfortzahlungsanspruchs. Bekanntlich verursacht nicht jede der Definition des § 2 Nr. 4 IfSG entsprechende Erkrankung. Z. B. eine Infektion, auch Arbeitsunfähigkeit, wie wir über leichte Erkältungen, leichte Verdauungsbeschwerden o.ä. wissen. Bei symptomlos Infizierten ist § 2 Abs. 1 IfSG der niedersächsischen Absonderungsverordnung, ggbflls. auch eine vom Gesundheitsamt verfügte Quarantäneanordnung der Rechtsgrund für das Fernbleiben vom Arbeitsplatz. Der betroffene Arbeitnehmer kann dann versuchen, einen Entgeltfortzahlungsanspruch gegen den Arbeitgeber vor dem Arbeitsgericht durchzusetzen oder auf dem Verwaltungsrechtsweg das Bestehen des Entschädigungsanspruchs gegen das Land Niedersachsen geltend machen.

Wählt der Arbeitgeber, der nicht auf den Kosten der ausgezahlten Quarantäneentschädigung sitzen bleiben will, die zweite Variante, so hat allein sein Arbeitnehmer den schwarzen Peter. Das führt zu einer auch vom Arbeitgeber bei guten Mitarbeitenden, zumal in Zeiten des Fachkräftemangels, zu keiner wirklich gewollten Belastung des Arbeitsverhältnisses.

Der DDN stellt denjenigen Mitgliedern, die von einer rechtswidrigen Ablehnung eines Erstattungsantrags gem. § 56 Abs. 5 IfSG betroffen sind für die Beschreitung des Rechtswegs eine Stellungnahme zur Rechtslage als Argumentationshilfe zur Verfügung.

Diesseitig erscheint es richtig, das Land zusätzlich zu den zutragenden Verdienstausfallentschädigungskosten mit dem Risiko der Erstattungspflicht für die Rechtsverfolgung zu konfrontieren. Das Land und die Kommunen müssen veranlasst werden, von einer das Verhältnis der Unternehmen zu ihren Mitarbeitenden schwer belastenden, nicht haltbaren Rechtsposition Abstand zunehmen. Dem guten Willen der Unternehmen zur Mitwirkung bei der Bewältigung der Pandemiefolgen ist die jetzige Haltung des Sozialministeriums jedenfalls nicht zuträglich. In einer Zeit kurz vor einer Landtagswahl erscheint ein rein fiskalisch orientiertes, juristisch zweifelhaftes Handeln der Landesregierung, das alle Unternehmen in Niedersachsen belastet, höchst unglücklich.